Frankfurter Allgemeine

Zeitung für Deutschland

Sonderdruck aus der Ausgabe vom 27. Juni 1953 / Nr. 146

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Frankfurter Lehrerinnenheim im Taunus

Vor fünfzig Jahren entstand die Erholungsstätte an der Hohemark

F.A.Z. Am 5. Juli 1953 werden es fünfzig Jahre, seit das Frankfurter Lehrerinnenheim eröffnet wurde. Es ist die Schöpfung des 1901 gegründeten Vereins „Frankfurter Lehrerinnenheim e.V.“, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, in der Nähe der Stadt und doch in ländlicher Ruhe und gesunder Taunusluft ein Heim zu schaffen, das Lehrerinnen im Ruhestand als Feierabendheim und jüngeren Lehrerinnen als Erholungsheim dienen sollte.

Der Gedanke einer solchen Gründung ging von Frankfurter Lehrerinnen aus, und ihr Plan fand Interesse und Unterstützung auch in solchen Finanzkreisen der Stadt, die für Probleme des Gemeinwohls aufgeschlossen waren. So wurden die Mittel schnell beschafft, ein Gelände an der Hohemark erworben und der Bau hergestellt. Zu den Förderern der Anstalt gehörten vor allem Konsul Braunfels und seine Gattin, die beiden Brüder Rößler, die Gründer der Gold- und Silber Scheideanstalt, Georg Speyer und seine Gattin, Frau Schmidt de Neufville.

Der Verein arbeitete nach alter Frankfurter Tradition auf simultaner Grundlage, und sein Heim hatte großen Zuspruch. Wirtschaftliche Krisen zweier Weltkriege waren überwunden und das Haus mit Garten in bestem Zustand, als Ende 1943 die damalige Regierung den Verein auflöste und sein Heim als Besitz des Nationalsozialistischen Lehrerbundes erklärte. Im August 1945 wurde es dann von der amerikanischen Besatzungsarmee beschlagnahmt, und die darin verbliebenen Insassen nach Königstein evakuiert und in die Villa Hahn eingewiesen. Im Jahre 1946 konnte sich der Verein wieder aufrichten, und im Januar 1953 erhielt er vom hessischen Finanzminister die Urkunde über die Rückübertragung des Heims an der Hohemark vom Lande Hessen in seinen Besitz. Aber trotz vielfacher Bemühungen um seine Freigabe ist es bis heute noch in Händen der amerikanischen Besatzung.

In seinem Königsteiner Asyl räumlich beschränkt und durch die Steuern für das beschlagnahmte Eigentum doppelt belastet, hat der Verein unter den größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Führung seines Altersheims fortgesetzt. Der Charakter einer Berufsorganisation ist immer mehr zurückgetreten hinter dem eines Dienstes an solchen, die im Alter durch die harten Zeiten des Krieges und seiner Folgen in Bedrängnis geraten sind, ob sie zum Lehrerinnenstand zählten oder nicht. Von den heutigen Insassen sind nur noch die Hälfte Lehrerinnen. Alle ohne Ausnahme sind jedoch Geschädigte und viele unter ihnen haben Heim und Habe restlos eingebüßt.

Hat der Verein bisher in der Stille gearbeitet, so tritt er nun in seinem Jubiläumsjahr an die Öffentlichkeit in der Hoffnung, Verständnis zu finden und Freunde zu gewinnen für sein Erbe, das vor fünfzig Jahren aus humanitärer Gesinnung hervorgegangen ist und deshalb nicht untergehen darf. Das schöne Haus vor den Toren der Stadt Frankfurt legt Zeugnis ab von dem sozialen Verantwortungs-bewusstsein seiner Bürgerschaft. An sie ist deshalb dieser Bericht in erste Linie gerichtet in der Zuversicht, dass eine gute Wende bevorstehen und die Bahn frei werden möge für einen ungehemmten sozialen Dienst, wie ihn das Gebot der Stunde fordert.

(Text von Dr. Agnes Geering)